Ein Offener Brief, der nicht länger warten kann…
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, die wilde Fahrt durch die Rückrunde hat begonnen. In der Terminjagd passiert es allzu oft, dass keine Zeit für eine vernünftige Auseinandersetzung mit erlebten Problemen bleibt. Und im Handumdrehen stehen wir ein paar Wochen später vor allseits bekannten Herausforderungen und fragen uns, warum wir nicht schon längst daran gearbeitet haben.
An diesem Punkt wollen wir die „Regel“ brechen!
Das erste Spiel im neuen Jahr hat dabei bereits ausreichend Gesprächsstoff mit sich gebracht, den wir nicht länger vor uns herschieben wollen und daher heute mit einem Offenen Brief reagieren. Sowohl die Ticketpolitik des Gastgebers, welche stellvertretend für andere Vereine in der Liga steht, als auch der Umgang mit Spieltagsansetzungen und -absagen liegt uns schwer im Magen und wir sind nicht gewillt, diese Problemfelder länger unkommentiert mit uns rumzutragen. Man könnte auch sagen: Wir haben die Schnauze gestrichen voll!
Thema Eintrittskarten
Wie bereits angedeutet, ist das Thema nicht neu. Es ist kein Geheimnis, dass die Fussballclubs in Deutschland – ligenunabhängig – mit großer Begeisterung am Aufbau ihres Online-Angebots arbeiten. Die Wunschvorstellung ist, analog zur Abschaffung von Bargeldzahlungen während der Spiele, alle Papiertickets aus dem Verkehr zu ziehen. Stattdessen werden Online-Portale aufgebaut und ein:e Jede:r hat die Möglichkeit, vermeintlich komfortabel an eine Einlassberechtigung zu kommen. Von „Eintrittskarte“ darf ohnehin keine Rede mehr sein. Voraussetzung: Registrierung im Portal inklusive kompletter Datenabgabe. Wer heute noch über die Einführung von personalisierten Tickets diskutiert, dem könnte dieser Zug längst abgefahren erscheinen.
Natürlich gibt es die schon oft genutzte Alternative des zum Gastverein entsendeten Ticket-Kontingentes, welches dann am jeweiligen Standort im Vorverkauf angeboten wird. Das ist gut und schön sowieab und an sicherlich auch praktikabel, aber es greift zu kurz. Denn: Gerade die größeren und reisefreudigen Anhängerschaften (auch in der Regionalliga) sind oft dezentral aufgestellt und rekrutieren ihre Mitstreiter:innen jeglicher Kategorie aus dem gesamten (mittel-)deutschen Raum. Nur in der Phantasie ist es daher für alle möglich, rechtzeitig und ausreichend an Tickets für das nächste Auswärtsspiel des geliebten FCC zu kommen.
Verzichte ich also aus Überzeugung auf eine Datenabgabe für ein Fußballspiel und/oder bin überdies unter der Woche nicht in der Lage, die begrenzten Öffnungszeiten im Ernst-Abbe-Sportfeld zu nutzen, schaue ich in die Röhre! Spätestens an dieser Stelle muss die Spirale gestoppt, unterbrochen und rückgängig gemacht werden. Für Fußballfansgehören zu einem Fußballstadion auch eine Tageskasse und Eintrittskarten. Wer dies ernsthaft in Frage stellt, tritt in das Rückgrat unzähliger Clubs. Auch eine Grauzone ist nicht akzeptabel. Wir zeigen uns an dieser Stelle solidarisch mit allen Blaugelbweißen. Die Reaktionen auf eine Thematisierung am vergangen Sonntag im Gästeblock des Hertha-Amateurstadions bestätigt diese Forderung nachdrücklich.
Wir fordern daher eine klare und öffentliche Positionierung der Vereine und Verbände, Fußballanhänger zu respektieren und zu jedem Spiel (einzige Ausnahme sind ausverkaufte Begegnungen) eine Tageskasse vorzuhalten. Von den Verantwortlichen unseres Clubs erwarten wir diese klare Haltung sofort, sowohl für die Heimspiele im eigenen Stadion (für Fans des FCC und vor allem für die der Gäste), als auch beeinflussend auf unsere Gastgeber in Liga und Pokal.
Thema Ansetzung/Absagen
Im aktuell laufenden Winterhalbjahr sind einige Regionalliga-Spiele der Witterung zum Opfer gefallen. Soweit, so gewohnt und so zu akzeptieren. Ganz und gar nicht zu akzeptieren ist das Verhalten der Verantwortlichen der Hertha-Amateure – ein Beispielfall. Auch hier sehen wir eine exemplarische Vorgehensweise, welche einen elementaren Aspekt des Fußballs ignoriert: den Umgang mit Gästezuschauern.
Vorab: Der Nordostdeutsche Fußballverband muss sich in diesem Zusammenhang einmal mehr eine stark verbesserungswürdige Rahmenterminplangestaltung ankreiden lassen. Kein Verein in den hiesigen sportlichen Gefilden kann eine Austragung von Spielen personell, finanziell und vor allem infrastrukturell bei Schneefall sicherstellen. Warum dann aber bis kurz vor Weihnachten und dann auch gleich wieder im Januar gespielt werden muss, erschließt sich mit Blick auf die Erfahrungen der letzten Jahre und der Absagenflut nicht. Hier dürfen die Verbandsoberen gerne ihre Lehren ziehen und die Nachteile ihrer Ansetzungspolitik nicht länger den klammen Vereinen aufbürden.
Im aktuellen Fall haben wir erst 19 Stunden vor dem Anpfiff Gewissheit über die Austragung des Spiels gehabt. Hinzu kommt, dass es sogar am Morgen des Spiels noch eine Begehung des Platzes hätte geben sollen. Zu diesem Zeitpunkt wären unsere Mannschaft und mehrere hundert Schlachtenbummler:innen längst auf dem Weg gen Berlin gewesen. Es ist an der Zeit, auch hier deutlichere Worte zu finden: Wir fordern nicht, dass die Verantwortlichen für die Ansetzungen unsere Leidenschaft teilen oder verstehen. Wir fordern jedoch, dass auch die logistischen und organisatorischen Aufwände von Fans erkannt werden. Es betrifftnicht nur junge Menschen, welche zum Teil nicht nur sprichwörtlich ihren letzten Cent für Auswärtsfahrten ausgeben. Wenn dann das Monatsbudget aufgebraucht wird, weil der Bus oder der Sonderzug bei viel zu kurzfristiger Spielabsage trotzdem bezahlt werden muss (was aus Sicht der Unternehmen nachvollziehbar ist), dann ist zum nächsten Auswärtsspiel oder zum Nachholtermin deutlich weniger im Stadion los.Die Reisefreudigkeit lässt zwangsläufig nach, die Atmosphäre und Einnahmen vor Ort ebenso.
Gerade ein Club wie die Hertha, welchem selbst alle 14 Tage tausende Anhänger quer durch das Bundesgebiet hinterher reisen, muss hier mehr Fingerspitzengefühl beweisen und damit vorbildlich für etliche deutlich kleinere Vereine agieren. Stattdessen erleben wir das Gegenteil.Wir akzeptieren natürlich, dass gewisse Wetterkapriolen sehr kurzfristig zu Spielabsagen führen können, auch am Spieltag selbst. Wir wissen aber auch, dass dies absolute Ausnahmen sind und der gesunde Menschenverstand dann jede Kritik unsererseits einbremst. Was wir in der Realität aber leider erleben, ist ein komplettes Ausblenden der Fan- und Auswärtskultur, der Akzeptanz dieser sehr relevanten Seite unseres Sports.
Es ist daher zusammenfassend an der Zeit, dass Vereine und betroffene Verbände eine Haltung entwickeln, welche eine akzeptable und die Rolle von Fans und Zuschauern respektierende Ansetzungspolitik und einen Absage-Codex fördern. Das kann konkret eine deutlich frühzeitigere Absage von Spielen bedeuten, unter Beachtung der dafür relevanten Faktoren (Prognosen, Anreisewege Gastmannschaft und -anhänger, logistische Anforderungen an Gäste).
Zum Abschluss wünschen wir uns, dass der FC Carl Zeiss diesbezüglich voranschreitet. Wir stehen ansprechbar bereit und tragen das Mandat von Tausenden.
Horda Azzuro Ultras, stellvertretend für viele leidenschaftliche Anhänger des FC Carl Zeiss Jena